Frauentag in Uganda – Zwischen Slum und Glamour

Als ich die kleine Bar am Straßenrand in Kisenyi erreiche, steht die Sonne hoch am Zenit. Die Fahrt in den somalischen Slum von Kampala ging heute besonders schnell. Es ist Frauentag – ein offizieller Feiertag in Uganda. Das bedeutet schulfrei und viele Geschäfte bleiben geschlossen. Der Verkehr ist ruhiger als sonst. Die örtlichen Telfonanbieter werben mit dem Slogan „Pray a special woman!“ Aber hier mitten im Slum merkt man nichts davon. Hier ist es ein Tag wie jeder andere. Es geht um den Kampf ums überleben.

Kathrine* ist 24 Jahre und lebt seit drei Jahren in Kampala. Sie ist Flüchtling aus Somalia. Als sie neunJahre  war starben ihre Eltern im somalischen Krieg, ein Nachbar aus ihrem Dorf nahm sie deshalb mit nach Südafrika. Sie hat keine Geschwister. Also kämpft sie sich seitdem alleine durchs Leben. Heute geht es ihr nicht besonders gut. Sie hat Magenprobleme. Trotzdem lässt sie sich ihre Schwäche nicht anmerken. Sie sitzt den ganzen Tag in dieser kleinen Bar, spielt Billard und erledigt kleine Geschäfte für die Chefs im Viertel. Während wir zusammen in ein kleines somalisches Restaurant gehen, begrüßt sie viele Leute. Und alle  zollen ihr Respekt. Man kennt sie hier und weiß: sie ist eine Kämpferin. Wir gehen gemeinsam in ein kleines Restaurant. Als wir am Tisch sitzen, brüllt sie auf einmal zu einem Nachbartisch rüber. Ich verstehe ihre Sprache nicht und frage sie was das Problem sei. Sie ist keine typische somalische Frau. Sie trägt keinen Schleier und trotzdem ist sie Muslimin. „Mit dem Herzen“, sagt sie. Sie hat kurzes Haar, ein schiefsitzendes Basecap, weite Hosen und ein viel zu großes blaues Hemd an. Die Leute am Nachbartisch reden über sie. Das kann sie nicht leiden. „Sie sagen, ist das ein Mann oder eine Frau?“ Sie können es nicht verstehen. Das lässt sie sich nicht gefallen. „Wenn die Leute ein Problem mit mir haben, sollen sie direkt mit mir reden oder kämpfen!“

„Wie war dein Tag bisher?“ frage ich sie. „Nichts Besonderes“, antwortet sie knapp „Das gleiche wie jeden Tag. Ich war lange zu Hause und habe Musik gehört. Wir hatten die ganze Nacht keinen Strom. Also gab es nichts zu tun.“ Irgendwann Mittag hat sie sich in die Bar geschleppt. Seitdem sitzt sie da. Was Frauentag für sie bedeutet? „Ich empfinde nichts dabei, weil ich keine typische Frau bin. Für mich ist es das Gleiche wie jeden Tag.“

Am Abend will ich noch eine andere Seite vom Frauentag in Uganda erleben und fahre nach in den Stadtteil Nakasero. Auf dem Weg dahin liegen am Straßenrand Obdachlose unter alten Pappkartons und schlafen. Im „Steak out“ ist heute „Woman Party“. In der gleichen Straße runter befinden sich einige Botschaften. Hier gibt es Luxushotels und Wohlstand gleich neben der erschütternden Armut. Als wir den Club erreichen, werden wir gründlich von den Securitys durchsucht. Sicherheit geht eben vor. Drinnen drängen sich Massen von gestylten Leuten und tanzen wild zu dem Beat des lokalen Dancehall. Überall hängen neue Flachbildschirme. Auf einer riesigen Leinwand flimmert ein Wiederholungsspiel der Championsleage. Goldketten und schicke Hemden sind angesagt. Die Frauen haben aufwendige Frisuren und knappe Miniröcke. Hier trifft sich nur wer genug Geld hat. Trotzdem, von Frauentagsstimmung merke ich auch hier nichts. Es ist eine Party wie jede andere. Nur Eins ist neu: auf den Toiletten treffen sich die Lesben der Stadt. Ich finde es sind mehr Männer als Frauen hier. Aber immer wieder sehe ich Frauen, die sich Hand in Hand durch die Menge quetschen. Normalerweise ist das in Ostafrika ein Zeichen von Freundschaft, aber heute Nacht sind das tatsächlich Paare. Die Berührungen sind nur ein bisschen zärtlicher als sonst. Die Blicke nur ein klein wenig intensiver. Sonst erkenne ich keinen Unterschied. Ein einheimischer DJ, mit dem ich hier bin, flüster mir zu: „Das sind Lazzies.“ So nennt er die Lesben der Stadt. Denn direkt aussprechen will er es hier nicht, man weiß nie wer zuhört. „Das ist die einzige Art an Zuneigung, die sie hier offiziell zeigen können. Es fällt ja nicht auf“. Er kennt das Nachtleben in Kampala und weiß was läuft. Die Party geht bis zur Morgendämmerung. Es wird getrunken, getanzt und gefeiert. Es ist wie in jedem anderen Club und an jedem anderen Tag: laut, heiß und beengt. Frauentag in Uganda ist ein offizieller Feiertag und doch ist es für die Einheimischen nur ein Feiertag, wie jeder andere Feiertag auch.

Dana Müller

L-MAG Mai/Juni 2010

 

* Der Name wurde geändert.


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